Neues Konzept an der Gesamtschule: „Wir sehen uns eher als eine Forschungseinrichtung“
Unser Team der Gesamtschule beschäftigt sich schon seit einiger Zeit im Rahmen der Unterrichtsentwicklung mit alternativen Wegen des Lernens und hat diese schrittweise eingeführt. Nun soll der letzte Schritt gegangen werden und die Strukturen an der Gesamtschule werden im Sinne des neuen Konzeptes verändert. Dazu gab es nach den Winterferien eine erste Durchlaufprobe. Ziel war es, die Bestandteile des neuen Unterrichtkonzepts im Zusammenspiel zu testen. Dazu haben die Schüler gemeinsam mit ihren Lehrern und Tutoren die Checklisten für die Probewoche besprochen, sodass alle verstehen konnten, was in der Probewoche passiert. Es wurden Stundenpläne erstellt, Kurse gebucht, Ordnerstrukturen geübt und später noch ein paar Tische und Stühle gerückt. Dann war es endlich soweit: die Probewoche lief und konnte direkt mit den Schülern ausgewertet werden. Nun wird eine längere Probe von zwei Wochen vorbereitet, die nach den Osterferien stattfinden soll. Doch warum brauchen wir ein neues Konzept an der Gesamtschule?
Warum ein neues Konzept an der Gesamtschule?
Wenn wir auf die letzten Jahre zurückblicken, stellen wir fest, dass sich sehr viel verändert hat. Alles wird digitaler, individueller, globaler und schneller. Man denke nur an das Wissen: es ist verfügbar zu jeder Zeit an jedem Ort. Der zieht auch Veränderungen in der Berufswelt nach sich und darauf hat der Unterricht der 90 er nicht mehr vorbereitet. Das Schulsystem mit seinem 15 Fächerkanon muss sich an diese Veränderung anpassen und die Lernenden befähigen, sich einer sich ständig verändernden Welt anzupassen und darin zurecht zu kommen. Für uns als Schule lagen daher die neuen Herausforderungen in Lernstrategien, Organisationsstrukturen, Recherchefähigkeiten, die sinnvolle Nutzung von Künstlicher Intelligenz, die Veränderungen im Blick zu haben und flexibel reagieren zu können. Wir stellen daher nun das adaptive Lernen ins Zentrum der Unterrichtsentwicklung. Anica Wriedt aus dem Schulleitungsteam beschreibt es so: „Wir haben uns bewusst vom Stillstand der letzten 150 Jahre, den Flurschulen und Verbotsdebatten verabschiedet. Wir sehen die Festlegung auf 15 Fächer nicht als Non-Plus-Ultra der allgemeinen Bildung. Und „Lernen und Wissensvermittlung“ ist nicht die Tür hinter 25 Schülern und einer Lehrkraft mit Frontalunterricht zu schließen.“ Was bedeutet dieser Abschied konkret für modernes Lernen?
Was bedeutet Modernes Lernen?
Modernes Lernen bedeutete für das Team der Gesamtschule, die Augen zu öffnen und sich an der Welt orientieren und flexibel auf eine sich verändernde Welt zu reagieren. Unser Team möchte Lernräume öffnen, die die Welt im Kleinen abbilden, in Themenkomplexen über Fächergrenzen hinaus. Es bedeutet aber auch, dass Lernen mithilfe neuester Technik in einer modernen Lernumgebung stattfindet, um die Schüler auf die Welt der nächsten Generation vorzubereiten und nicht durch Verbote der vorletzten Generation in ihrer Entwicklung zu behindern. Darum geht es im modernen Lernen und der aktuellen Unterrichtsentwicklung der Sport- und Kreativitätsgesamtschule.
Wie sieht das neue Konzept aus?
Das Team der Gesamtschule hat beobachtet, dass ihre Schüler sehr aufgeweckt und aktiv sind: In den sozialen Netzwerken verfolgen sie ihre Interessen, lassen sich durch Youtuber inspirieren und hinterfragen die Themen, die ihnen wichtig sind. Von einfachen Flechtfrisuren bis zur Astrophysik reicht ihr Interesse allein in einer Stunde. Außerdem informieren sie sich, teilen und diskutieren. Das Team unserer Gesamtschule sah es als seine Aufgabe, an diesen Interessen anzusetzen und sie zu verbreitern.
Die Bestandteile des neuen Unterrichtkonzepts gehören
- Individuelles Lernen nach Kursen, Tutorien, Freiarbeit,
- Raumkonzept und
- Graduierungskonzept.
Alle Schüler:innen arbeiten mit einem Endgerät, mit individuellen Stundenplänen, unterschiedlichen Hilfs- und Unterstützungssystemen, in Interessen- und Neigungsgruppen statt Klassenverbänden. Begleitet werden dabei jeweils zwölf Schüler von einem Tutor. Ein Graduierungskonzept, das zunehmend Freiheiten und mehr Selbstständigkeit bedeutet, stützt dies.
Für die Durchlaufprobe wurden die Möbel umgestellt und die Räume (so weit möglich) ihrer neuen Funktion verändert. Die Schüler konnten für die Durchlaufprobe ihren ersten, eigenen Modellstundenplan mithilfe ihrer Tutoren erstellen. Analog zum neuen Schulkonzept hat jeder Schüler einen individuellen Stundenplan, abhängig vom Graduierungslevel mit Freiarbeitsphasen, Kursen, Coachings/Tutorien. Das bedeutet, dass sie sich in ihre Pflichtkurse eintragen und auf ihre Wahlkurse buchen.
Das neue Konzept zeichnet sich im Wesentlichen aus durch:
- Individualisiertes/adaptives Lernen jedes einzelnen Schülers von Klasse 7 bis zum Abschluss
- Jeder Schüler lernt im eigenen Tempo in den jeweiligen Fächern
- Engmaschige Begleitung durch Tutoren und Fachlehrer stehen täglich für Fragen zur Verfügung
- Klassenverbände werden durch Interessensverbände (bzw. Profilverbände) ersetzt; Schüler lernen in Gruppen mit ähnlichen Interessen
- Entsprechend dem neuen Konzept wird das Raumkonzept der Gesamtschule angepasst
- Fokus von Kompetenzentwicklung durch die Nutzung diverser, individueller Lernhilfen
- Einführung eines „Graduierungssystems“, das auf Belohnung statt Bestrafung setzt. Der Schüler hat die Möglichkeit durch selbstständiges und verlässliches Arbeiten, seine Arbeits-Methodiken individueller zu wählen.
Zusammengefasst hat Anica Petrovic-Wriedt es wie folgt: „Wir sehen uns eher als eine Forschungseinrichtung, in der Schülerinnen und Schüler Forschungsfragen entwickeln, bearbeiten und überhaupt erkennen können, was sie wissen müssen und wollen. Wir als Schule greifen die vielen Interessen der Jugendlichen auf, lassen sie reifen und erweitern sie. Dann ist Bildung auch zeitgemäß.“